Parasiten beim Doppelpuls – unsichtbar, aber gemein.

Dipl. Ing. Konrad Domes – CEO, SAXOGY POWER ELECTRONICS GmbH

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Dipl. Ing. Konrad Domes - CEO SAXOGY POWER ELECTRONICS GmbH
Dipl. Ing. Konrad Domes — CEO, SAXOGY POWER ELECTRONICS GmbH

„Wir bei SAXOGY® können die Physik nicht ausschalten aber wir sorgen, so gut es geht dafür, dass Koppelkapazitäten reduziert werden und dass es sinnvolle alternative Strompfade gibt. So hat unser neustes Model des sicheren Schaltmessplatzes, SMP-III, ein durchdachtes Ableitsystem.“

In unserem vorherigen Beitrag auf LinkedIn haben wir vor Kurzem über das Prinzip des Doppelpulses zur Charakterisierung von Halbleitern geschrieben.

Zur Erinnerung: die dafür genutzte Schaltung besteht neben den Prüflingen aus einem Zwischenkreiskondensator und einer magnetischen Wandler-Induktivität.

Neben der magnetischen Wandler-Induktivität bringt aber jedes Stück Verbindungsleitung einen weiteren induktiven Anteil in die Schaltung. Leider auch an Stellen, wo möglichst wenig oder keine Induktivität vorhanden sein sollte. Durch den Abschaltvorgang wird der Stromfluss in der Kommutierungsinduktivität unterbrochen, wodurch diese eine Abschalt-Überspannung erzeugt.

Natürlich sollten alle Abstände zwischen den Bauelementen des Doppelpuls-Setups (👉 Beitrag vom 12.03.) so kurz wie möglich sein. Der Kommutierungskreis, welcher aus den beiden Halbleitern sowie der Zwischenkreiskapazität gebildet wird, kann so auf Induktivitätswerte von ca. 10nH reduziert werden.

Hier gibt es ein paar Richtlinien zu beachten.

  1. Alle Stromführenden Leitungen sollten so breit wie möglich ausgeführt sein. Ein flächiger Aufbau bewirkt hier Wunder!
  2. Jede stromführende Leitung sollte unmittelbar einer, mit demselben Strom in umgekehrter Richtung fließende Leitung, gegenüber liegen. Da sich die Magnetfelder kompensieren, erhöht sich der magnetische Widerstand, was zu geringeren Induktivitätswerten führt.
  3. Zwischen Hin- und Rückleiter sollte der Abstand minimal sein.
  4. Auch die Leitungslänge sollte minimal sein.

Sieht man sich gute Layouts im Bereich der Kommutierungszelle an, findet man die oben genannten Punkte wieder: der Zwischenkreiskondensator ist flächig in unmittelbarer Nähe zu den Halbleitern planparallel angeschlossen. Also alles richtig gemacht!

Neben den Induktivitäten sorgen unerwünschte Kapazitäten für Probleme. Jedes Stück Leitung bildet eine Koppelkapazität zu benachbarten Leitern. Diese parasitären, passiven Komponenten bilden wiederum Schwingkreise, welche leicht durch schnell schaltende Bauelemente angeregt werden können. Nach dem Abschaltvorgang sperrt der entsprechende Halbleiter durch den Aufbau einer internen Sperrschicht. Diese besitzt eine Kapazität und bildet mit der Kommutierungsinduktivität einen Schwingkreis. Daraus resultierende Abschalt-Oszillationen sind dann als Überlagerung auf der Sperrspannungskurve zu erkennen.

Je nach Setup kann die Überlagerung von Abschalt-Überspannung sowie Abschalt-Oszillation zu einer Verstärkung oder teilweisen Auslöschung des Spannungs-Spitzenwertes führen. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass man sein Setup genau kennt oder richtig interpretieren kann.

Pseudo-Signale

Leider lauert beim Messen noch eine weitere Gefahr. Dabei handelt es sich um Pseudo-Signale, welche aufgrund von Verschiebeströmen entstehen, die durch die Messtechnik fließen.

Betrachtet man die übliche magnetisch arbeitende Strommesstechnik, so existiert zwischen dem Messkanal und dem Stromdurchflossenen Leiter eine galvanische Trennung. Da der Messkopf, z.B. eine Rogowskispule, eine geometrische Relation zueinander haben, ergibt sich zwangsweise eine Koppelkapazität.

Natürlich bildet die Koppelkapazität des Stromsensors mit der Induktivität des Ground-Systems im Messaufbau wieder einen Schwingkreis! Kommt es aufgrund der Schaltvorgänge im Doppelpuls-Setup zu einer relativen Potentialverschiebung, wird ein Verschiebestrom in den Messkanal eingeprägt.

Dieser Verschiebestrom kann in den parasitären Induktivitäten im Messverstärker des Oszilloskops wiederum einen messbaren Spannungsabfall und somit ein Pseudo-Signal erzeugen. Das Prinzip ist in Abbildung 1 dargestellt.

Abbildung 1: Einfluss von Koppelkapaziäten in den Messkanal

Um den Einfluss von Verschiebeströmen zu minimieren, ist es ratsam, den Strom an einer Stelle zu messen, wo relativ zum Oszilloskop nur geringe Potentialverschiebungen auftreten. Abbildung 2 zeigt eine Alternative zur Abbildung 1.

Abbildung 2: optimierte Messsignalerfassung

Sollte dies nicht möglich sein, kann man mit einem Schirm den Verschiebestrom „einsammeln“ und hinter dem Messverstärker in das Ground-Potential des Oszilloskops abführen. Dieses Prinzip ist in Abbildung 3 gezeigt. Damit reduziert man den Einfluss nochmals deutlich.

Auf Wunsch sind die Prüfplätze von SAXOGY® darauf ausgelegt.

Abbildung 3: Reduzierung des Einflusses von Koppelkapazitäten

Dasselbe, störende Wirkprinzip kann übrigens auch bei der Verwendung ungeeigneter, hochkapazitiver Spannungs-Tastköpfe auftreten. Damit Tastköpfe ein gutes dynamisches Abbildungsvermögen haben, existiert neben dem ohmschen Spannungsteiler auch ein kompensierter kapazitiver Teiler.

Man erinnert sich vielleicht an das kleine Loch am BNC-Stecker vieler Tastköpfe. Die dahinter befindliche Schraube dient nicht Montagezwecken, sondern stimmt die untere Kapazität auf das Oszilloskop ab. Leider liefert dieser kapazitive Teiler wiederum einen Verschiebestrom, während sich die Spannungssignale ändern. In Abbildung 4 ist dargestellt, wie dieser Strom störende Signale erzeugen kann. Langsam schaltende IGBTs erzeugen hier selten Probleme. Ein schnell schaltender SiC-MOSFET prägt in dieselbe Messtechnik fast den 10-fachen Verschiebestrom.

Abbildung 4: Einfluss des kapazitiven Teilers bei Spannungsmessung

Als Hausnummer gilt:

Eine Steilheit von 1kV/µs erzeugt in einer Koppelkapazität von 1 pF einen Verschiebestrom von 1 mA.  Dieser Wert kann durch den Induktiven Anteil der Messkette noch vergrößert werden. Misst man das Schalten eines SiC-MOSFETs mit 30kV/µs mit einem Tastkopf, dessen Eingangskapazität 10pF beträgt und stellt eine Induktivität von 10nH zugrunde, stellt sich ein Verschiebestrom von mehr als einem halben Ampere ein! Dieser Strom fließt in den meisten Fällen durch das Oszilloskop und erzeugt dort ohmisch-induktive Spannungsabfälle.

Wir bei SAXOGY® können die Physik nicht ausschalten aber wir sorgen, so gut es geht dafür, dass Koppelkapazitäten reduziert werden und dass es sinnvolle alternative Strompfade gibt. So hat unser neustes Model des sicheren Schaltmessplatzes, SMP-III (Abbildung 5), ein durchdachtes Ableitsystem.

Abbildung 5: SAXOGY’s SMP-III mit EMV-Kit

In der Abbildung 6 ist der Einsatz gezeigt. Das Bild zeigt die Messung an einem high-side-Gate eines SiC-MOSFETs bei einer Steilheit von 30kV/µs. Alle Oszilloskope sind galvanisch getrennt versorgt und messen ein und dasselbe Gate. Das linke, obere Oszilloskop ist mittels Differenztastkopf angeschlossen. Auf der rechten Seite sind beide Oszilloskope direkt mit einem passiven Tastkopf kontaktiert, wobei das obere Oszilloskop den integrierten Ableitpfad nutzt. Würde man nur einen Tastkopf und den dann richtig nutzen, sähe das Ergebnis nochmal besser aus!

Abbildung 6: Messung an einem high-side-Gate eines SiC-MOSFETs

Wir hoffen, dass der Beitrag ein wenig Anregung zum Optimieren eurer Versuchsaufbauten liefert!

Chemnitz Panorama - Photo: Dirk Janus

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Dittesstr. 15, 09126 Chemnitz, Deutschland

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